„In der PAR ist viel im Umbruch“, betonte Prof. Dr. Dirk Ziebolz, der den ersten Vortrag des 3. DZW Präventions-Forums hielt, das am 21. und 22. September 2018 in Herne stattfand und von der Haranni Academie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen veranstaltet wurde. Er berichtete, dass in den neuen Klassifikationen nun auch mundgesunde, therapierte PAR-Patienten abgebildet werden, was er für einen bedeutenden Schritt hält. „Es geht darum, gesunde Zustände zu erhalten“, erklärte er, denn therapierte, PAR-freie Patienten trügen ein erhöhtes Risiko, erneut zu erkranken. „Das ist das gleiche Prinzip wie in der Onkologie“, warnte er.
Ziebolz hob hervor, dass die neue Klassifikation den Zahnverlust berücksichtigt und nicht mehr zwischen einer aggressiven und einer chronischen PAR unterscheidet. „Das bleibt zwar für die Krankheitsgeschichte bedeutend, ist aber für die therapeutische Behandlung unerheblich“, betonte er und erklärte die neuen Stages (Stadien) und Grades (Abstufungen) sowie die Vorgehensweise zur Klassifizierung der Patienten. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die „Berner Spinne“: Wer (vollständige) PAR-Prävention betreibe, mache eigentlich schon Stageing – „das wird jetzt nur anders bezeichnet. Wenn man systematisch vorgeht, weiß man, wo der Patient steht und wie er weiter therapiert werden muss“.
Ziebolz appellierte an die Teilnehmer, eine ausführliche Anamnese durchzuführen: „Ich werde nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen“, sagte er. „Machen Sie eine ordentliche Anamnese, schicken Sie den Patienten zum Arzt, wenn Sie sich nicht sicher sind, warum die Parodontitis so ist, wie sie ist“, ermutigte er das Auditorium. „Die neue Klassifikation erfordert es, dass wir den Patienten richtig einschätzen!“
Als Faktoren zur Beurteilung der parodontalen Gesundheit nannte Ziebolz unter anderem
zahnbezogene Faktoren:
• Attachmentverlust
• Furkationsbefund
• Zahnlockerung
• Zahnposition
• Vitalität
• geschlossene Zahnreihe
patientenbezogene Faktoren:
• Biofilmakkumulation
• Risikofaktoren (Rauchen, Diabetes, Alter)
• erlebter Zahnverlust
Medizinische Zahnaufhellung
„Wir Zahnärzte haben das Thema zu lange irgendwelchen Scharlatanen überlassen. Zahnaufhellung ist mehr, als nur Lippenstift zu verkaufen“, stellte Prof. Dr. Michael Noack direkt zu Anfang seines Vortrags fest. Nachdem er die Unterschiede zwischen einer kosmetischen und einer medizinischen Zahnaufhellung herausgestellt hatte, beantwortete er oft gestellte Fragen, zum Beispiel, ob durch die Zahnaufhellung Schäden an Schmelz und Dentin („keine klinisch relevanten Veränderungen“), der Pulpa (Hypersensibilitäten ja, aber keine irreversiblen Schäden) oder des Weichgewebes (Irritationen, bei UV-Bestrahlung sollte eine Gingivaabdeckung erfolgen) entstehen. Er selbst bevorzuge Zoom (Philips), da das gelieferte Tray alles Benötigte („selbst die Lippenpflege“) enthalte und das Zahnfleisch geschützt werde.
„Kein Medikament hilft so gut wie die richtige Diagnose“, so Noack und unterschied zwischen externen (zum Beispiel durch Tabakkonsum, aber auch Nahrungsmittel wie Curry, Medikamente) und internen Zahnverfärbungen (Fluorose, Traumata, Altersveränderungen etc.). Noack riet den Teilnehmern, die Patienten auf eventuell auftretende Schmerzblitze vorzubereiten, sie darüber aufzuklären, dass die Schmerzen meist nur vier Stunden nach der Aufhellung anhalten, und ihnen ein Schmerzmittel zu empfehlen („besonders den Männern“). „Erklären Sie dem Patienten auch, dass er, wenn er abends noch lernen muss, den Termin lieber verschieben sollte.“ Falls es für den Patienten schon während der Behandlung zu unangenehm werde, könne der Vorgang auch abgebrochen werden, was den Erfolg natürlich beeinträchtige.
Nicht immer kann ein devitaler Zahn aufgehellt werden. Noack riet den Teilnehmern, es einfach zu versuchen; stelle sich kein Effekt ein, könne der Zahn nicht aufgehellt werden, sei aber ein leichter Effekt erkennbar, könne die Aufhellung wiederholt und das Ergebnis verbessert werden.
Würger, Zappler, Angsthasen
„Würgen ist erst einmal ein ganz normaler Reflex, den haben wir alle“, so Dr. Christian Bittner. Wenn ein Patient von vornherein von sich behauptet, „ich bin Würger“, dann sei Vorsicht geboten. Das Problem könne aber mit der Antwort „Das würde mir auch so gehen“ schon etwas entschärft werden, denn damit signalisiere man dem Patienten Verständnis.
Bittner unterscheidet zwei Arten von Würgern: diejenigen, die wirklich aus Reflex würgen, und die psychogenen Würger. Während erstere schwer zu behandeln seien, ginge es den psychogenen Würgern oft einfach um besondere Aufmerksamkeit – und genau diese könne man ebenso wie bei Zapplern oder Angstpatienten lenken. Sätze wie „Sie brauchen keine Angst zu haben“ sind laut Bittner aber völlig ungeeignet und hätten den gleichen Effekt wie „Keine Angst, hier sind keine grünen Elefanten.“
PAR und Allgemeinerkrankungen
Prof. Dr. Georg Gaßmann behandelte in seinem Vortrag die Assoziation zwischen Parodontitis und systemischen/genetischen Allgemeinerkrankungen und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Zahnarztpraxis. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung glaubt er, dass künftig den rheumatischen Beschwerden mehr Beachtung geschenkt werden müsse: Rheumatoide Arthritis (RA) und eine chronische PAR beeinflussen einander; daher sollten Patienten mit RA auch auf Parodontitis gescreent werden.
Eine immer wiederkehrende Frage, ob Schwangere parodontal behandelt werden können und sollten, beantwortete Gaßmann mit Ja, denn eine PAR-Therapie habe keinen Einfluss auf Frühgeburten: „Sie schadet dem Kind nicht und ist gut für die Mutter.“ Die Vorbehandlung sollte allerdings innerhalb der 1. bis 13. Schwangerschaftswoche und SRP innerhalb der 14. bis 26. Schwangerschaftwoche erfolgen. Eine antibiotische Unterstützung mit Metronidazol/Amoxicillin könne nach konsiliarischer Erwägung bei einer Rapid Progressiven Parodontitis durchgeführt werden. Allerdings riet er, bei geplanten Schwangerschaften die PAR-Behandlung vorher durchzuführen.
Birgit Strunk