Vom Bohren dicker Bretter
Einen Grund zum Feiern gab es eigentlich nicht, folgt man den Eingangsworten von Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, anlässlich des Neujahrsempfangs in der Parlamentarischen Gesellschaft. Seine gesundheitspolitische Bilanz für 2018 fiel ernüchternd aus. Die Baustellen seien sämtlich erhalten geblieben: zahnärztliche Approbationsordnung, Gebührenordnung, Punktwert, Sicherung der Freiberuflichkeit und eine klare Regelung für Finanzinvestoren im Bereich ZMVZ. „Bohren gehört zum täglichen Geschäft der Zahnärzte. Die dicken Bretter, die uns aus dem Jahr 2018 erhalten geblieben sind, werden wir uns 2019 noch einmal vornehmen müssen.“ Zum umstrittenen Thema ZMVZ betonte Engel, dass die Standesvertreter nicht grundsätzlich gegen ZMVZ seien, sondern gegen „Missbrauch für Renditezwecke“, das sei ein „No-Go“ in der Zahnheilkunde. Gegen die zunehmenden Eingriffe der Politik in die Selbstverwaltung verwahrte sich Engel. Den notwendigen Strukturwandel werde die Zahnärzteschaft selbst definieren und umsetzen.
Die anwesenden Gesundheitspolitiker kamen zu Wort
Den Reigen der Redner der Bundestagsparteien eröffnete dann die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag. Nach dem obligatorischen Bekenntnis zur Freiberuflichkeit kam sie direkt zum Kernthema des Abends: der Zugang fachfremder Investoren bei der Gründung von ZMVZ. Hier wolle die Regierung mit dem Entwurf zum TSVG klare Grenzen setzen. Sie könne nicht versprechen, dass die Koalition Bereichsausnahmen beschließen werde, dies sei aber eine Maßnahme , die als zielführend im Raum stünde. Im Anschluss betonte der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Prof. Dr. Axel Gehrke, den permanenten Optimierungsbedarf des Gesundheitssystems. Angesichts des demografischen Wandels begrüßte er Projekte wie den Zahn-Medibus zur zahnärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Die Investoren-ZMVZ sehe er sehr kritisch. Generell kritisiert Gehrke, dass die Menschen im Gesundheitssystem zu sehr als Kostenfaktor betrachtet werden und nicht in Hinblick auf ihre Leistung. SPD und Grüne glänzten mit Abwesenheit. Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, wandte sich entschieden gegen die Versuche, „die Axt an die Selbstverwaltung“ zu legen. ZMVZ, die von Hedgefonds betrieben würden, bezeichnete sie als „Kraken“, die mit riesigen Renditeversprechen werben. „Das wollen wir nicht“, zeigte sie sich entschlossen und brachte einen FDP-Entwurf von 2012 wieder ins Spiel, der Investoren ohne fachlichen Bezug von der Gründung ausschloss – bemerkenswert für eine marktliberale Partei. Dr. Achim Kessler, Obmann der Linkenfraktion im Gesundheitsausschuss, hob vor allem auf zwei Punkte ab. Die guten Präventionsmaßnahmen für Kinder müssten auch da ankommen, wo Eltern weniger Geld verdienten. Die Regelversorgung solle von der GKV auch entsprechend vollständig erstattet werden. ZMVZ sollten der Versorgung der Bevölkerung dienen und nicht dem Gewinnstreben von Private-Equity-Fonds.
Das allgegenwärtige Thema lautete: ZMVZ
Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, schloss das Rednerrund ab. Er sieht das TSVG für Zahnärzte auch als Schritt nach vorn: Abschaffung der Degression und die Erhöhung der Festzuschüsse. Die für ihn entscheidende Stelle im TSVG betreffe die Regelung der ZMVZ, diese würden den Rahmen bestimmen, wie die vertragszahnärztlich Versorgung der kommenden Jahrzehnte aussähe. Die zentrale Frage für ihn sei, ob man für die bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung der Menschen versorgungsfremde Investoren, Private-Equity-Fonds und deren Kapital benötige? Was Eßer, wenig überraschend, verneinte. Im ärztlichen Bereich und im Pflegebereich seien Investoren notwendig, im zahnärztlichen nicht. Der Lösungsansatz für zahnärztliche MVZ läge in der Begrenzung der Gründungsberechtigung auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge.
Von guten Vorsätzen und schlechten Angewohnheiten
Die Zahnärzteschaft ruft, und die gesundheitspolitische Welt kommt zur Parlamentarischen Gesellschaft vis-à-vis dem deutschen Bundestag. Das hat gute Tradition. Eines hat der diesjährige Neujahrsempfang von BZÄK und KZBV deutlich gezeigt: Problematisch beim Gesetzgebungsverfahren zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist das Lesen im Kaffeesatz. Was ist, wenn? Belässt der Gesetzgeber fachfremde Investoren unter den ZMVZ-Gründungsberechtigten, fließt zusätzliches Kapital in den Gesundheitsmarkt und öffnet neue Arbeitsstrukturen für die zahnmedizinische Versorgung.
Allein die Digitalisierung führt zu einer deutlichen Beschleunigung auch der Technologieentwicklung. Geräte, die nur über Jahre hinweg steuerlich abgeschrieben werden können, sind zum Teil bereits nach kürzerer Zeit veraltet. Was tun? Mit veralteter Technologie weiterarbeiten? Wenn nein, woher soll das Kapital kommen? Wer soll die Praxen übernehmen, wenn die Zahnärzte 50+ in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen? Zudem werden neue Berufsausübungsmodelle dringend gesucht, um den Bedürfnissen der jüngeren Zahnarztgeneration entgegenzukommen.
Spannungsfeld zwischen Freiberuflichkeit und Gewerbe
Die Entwicklung der zahnmedizinischen Versorgung ist schwer vorhersehbar, und dennoch werden Ende Februar die Weichen dafür gestellt. Sie werden, wie Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, beim Neujahrsempfang der Zahnärzteschaft in Berlin dramatisch formulierte „unumkehrbar“ sein. Die Lage ist komplex – jedenfalls deutlich komplexer als im einfachen Streckenverlauf von Gut und Böse, wie es hier und da dargestellt wird. Zu guter Letzt ist – wenn sie denn so kommt – die Begrenzung der ZMVZ-Gründungsberechtigung auf räumlich-regionale und medizinisch-fachliche Bezüge auch nur eine angelehnte Tür. Investoren werden Schlupflöcher finden und diese für sich weiter öffnen. Das befördert womöglich ein anderes Problem. Der Heilberuf Zahnarzt und der Zahnarztbesuch als Dienstleistung verschwimmen. Das könnte langfristig schon zu einem Problem im Spannungsfeld von Freiberuflichkeit und Gewerbe führen – eine Entwicklung, die sich auch ohne Investoren-ZMVZ jetzt schon abzeichnet. Hier sollten Steuerungsinstrumente geschärft werden, wie die von Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, beim Neujahrsempfang ins Spiel gebrachte Berufsaufsicht der Länderkammern auch für MVZ eines sein könnte. Hiervon kommt in der öffentlichen Debatte nicht viel an. Schade auch.
"Ritzeratze! voller Tücke ..."
Derweil sägt der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit Fleiß und weitgehend unbehelligt am Ast der Selbstverwaltung: Versuch der Entmachtung des G-BA durch Zulassung per Ministererlass, 51-Prozent-Übernahme der Gematik durch das BMG, Entmachtung der KZVen bei der Festlegung der Vorstandsbezüge. Themen, die hinter der Allgegenwärtigkeit der Investoren-ZMVZ-Thematik auch beim Neujahrsempfang zu kurz kamen. Dabei steckt hinter dieser Entwicklung offensichtlich politisches Kalkül. Spahn will sich nachhaltig als Macher positionieren. Dazu braucht er schnelle und sichtbare Effekte. Und schnell und Selbstverwaltung – seien wir ehrlich – standen in den letzten Jahren und Jahrzehnten oft genug im Widerspruch zueinander.
Hier muss sich die Selbstverwaltung neu aufstellen und reformieren. Das hatte auch Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, in seinen Eröffnungsworten zum Empfang gefordert. Zu befürchten bleibt, dass bei einer reinen Blockadehaltung, einem ewigen „Weiter-so“ die Marschrichtung „Staatsmedizin“ weitere Anhänger erhalten wird. Das kann niemand wirklich wollen – eigentlich.