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Zahnmedizin – alles bleibt anders
Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Sommerzeit, Urlaubszeit. Wenn die Patienten in den Ferien sind, bedeutet dies auch für viele Praxen, urlaubsbedingt zu schließen. Aus der Ferne eines Urlaubsziels lässt sich die eigene Praxis vielleicht eher als großes Ganzes betrachten, anders als in Zeiten des Hochbetriebs, wenn der Praxisalltag kaum Zeit lässt, sich Gedanken um die Zukunft der eigenen Praxis zu machen oder gar über die Zukunft der Zahnmedizin als Ganzes nachzudenken.

Vielleicht fragt sich der eine oder andere dann durchaus ketzerisch, wohin die Reise der Zahnmedizin in den nächsten zehn, 15 Jahren gehen wird. Denn dass sich die Landschaft der Zahnmedizin als Teil der Medizin mittelfristig stark verändern wird, dürfte jedem klar sein. Dafür wird es mehrere Gründe geben. Zum einen zeigen die mittlerweile jahrzehntelangen Präventionsbemühungen immer deutlicher ihre Früchte und belegen, dass die Zahnärzteschaft in dieser Hinsicht einen wirklich guten Job gemacht hat und macht. Ablesen lässt sich dies regelmäßig an den beeindruckenden Statistiken zur Mund- und Zahngesundheit in Deutschland. Spürbar werden die Erfolge nachhaltiger Präventionsbemühungen in der einen oder anderen Praxis aber zunehmend auch daran, dass das Alter der Patienten, die mit komplexer Prothetik versorgt werden müssen, stetig steigt. Gleichzeitig ist das Phänomen „naturgesundes Gebiss“ bei jüngeren Patienten heute so häufig anzutreffen, dass es schon kaum noch der Rede wert ist.

Dies sind durchaus erste Anzeichen dafür, dass sich die Rolle der Zahnmedizin gefühlt langsam aber sicher weg von der „Reparaturzahnmedizin“ zu einer Präventionszahnmedizin entwickelt – Vorbeugen ist besser als Behandeln. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass Deutschland künftig weniger Zahnärztinnen und Zahnärzte benötigt. Ganz im Gegenteil: Immer älter werdende Patienten haben immer mehr eigene Zähne im Mund, und damit wachsen rasant neue beziehungsweise veränderte Aufgabengebiete für die Zahnärzteschaft heran. Eingeschränkte motorische Fähigkeiten betagter Patienten – ob in Pflegeeinrichtungen untergebracht oder zu Hause betreut – bedeuten, dass der Bedarf an engmaschiger zahnmedizinischer Betreuung in naher Zukunft schneller wachsen wird, als es heute absehbar ist.

Andererseits ist nicht erst seit Veröffentlichung der Studie zur Mundgesundheit von Flüchtlingen klar, dass in diesem Bereich große Herausforderungen warten. Gleiches gilt für die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Milieus – hier sehen wir heute eine Konzentration zum Beispiel des Kariesgeschehens, die regelmäßig die Ergebnisse der Mundgesundheitsstudien dämpft.

Da kommt also noch jede Menge Arbeit auf Deutschlands Zahnärztinnen und Zahnärzte zu, denn zu den grob geschilderten Bedarfen kommen noch die relativ gut erforschte „Volkskrankheit“ Parodontitis und das bislang nur ansatzweise erforschte Phänomen MIH als potenzielle neue Volkskrankheit hinzu.

Die Parodontitis ist ein gängiges Beispiel dafür, wie eine Erkrankung des Mundraums massive Auswirkungen auf die Gesamtgesundheit haben kann. Nicht von ungefähr mahnen britische Wissenschaftler in einer aktuellen Studie, den Gesamtorganismus beeinträchtigende Erkrankungen der Zähne oder des Zahnhalteapparats noch intensiver in den präventiven Fokus zu nehmen. Die Auswertungen der britischen Studie zur Zahl der Todesfälle durch zum Beispiel beherdete Zähne oder nicht behandelte Parodontitiden machen es deutlich: Die Zahnmedizin als medizinisches Spezialgebiet spielt eine weitaus wichtigere Rolle, als ihr derzeit zugemessen wird.