Wer einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, sollte den Vertrag im Vorfeld genau prüfen lassen - am besten von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht - und bei der Abfindung auch gut und geschickt verhandeln können.
Da der Arbeitnehmer aber selten „auf Augenhöhe“ mit dem Arbeitgeber ... verhandeln kann, ist es ratsam, sich so früh wie möglich kompetente anwaltliche Hilfe zu suchen.
Arbeitgeber trauen sich oft nicht zu kündigen, um keine Abfindung zahlen beziehungsweise um nicht über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung in einem langen Prozess streiten zu müssen. Oft werden dann unschöne Methoden (Schikanen, Mobbing, Bossing, Straining, Staffing, Gas-Lightning etc.) gewählt, um den Arbeitnehmer zu einer sogenannten Eigenkündigung zu bewegen.
Der Arbeitnehmer wiederum fühlt sich in seinem Arbeitsverhältnis nicht mehr wohl (manche werden sogar krank), hat jedoch (zu Recht) Bedenken, selbst zu kündigen, da er dann (zumindest im Regelfall) eine Sperre bei der Arbeitsagentur riskiert.
Aufhebungsverträge stellen dann eine scheinbar friedliche Alternative dar: Beide Seiten einigen sich einvernehmlich, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Nachteile
Wer von seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag vorgelegt bekommt, sollte ihn allerdings keinesfalls ungeprüft und/oder in einer Drucksituation unterschreiben. Denn im Vergleich zu einer Kündigung bestehen für Arbeitnehmer klare Nachteile: Die Arbeitsagentur wertet die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages oftmals als Mitwirkung an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Ausnahmen gelten nur, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund dafür vorweisen kann, dass er freiwillig gegangen ist, zum Beispiel um einer rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zu entgehen und sich eine Abfindung zu sichern.
Liegt kein wichtiger Grund vor, droht das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit von bis zu 12 Wochen. In dieser Zeit erhält man keine Leistungen und zahlt auch nicht in die Rentenversicherung ein. Darüber hinaus mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen grundsätzlich zusteht.
Manchmal kann es trotzdem sinnvoll sein, einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Ein Aufhebungsvertrag kann für den Arbeitnehmer zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn er bereits eine andere Beschäftigung in Aussicht hat und möglichst schnell sein bisheriges Arbeitsverhältnis beenden möchte.
Die gute Nachricht: Die drohende Sperre bei der Arbeitsagentur kann vermieden werden, wenn der Aufhebungsvertrag geschickt gestaltet beziehungsweise richtig formuliert wird!
7 Punkte, die im Aufhebungsvertrag stehen sollten
Der Aufhebungsvertrag sollte in jedem Fall individuell mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden und (mindestens) die folgenden sieben Punkte genau regeln:
- Zeitpunkt: Wann genau endet das Arbeitsverhältnis? Hier sollte unbedingt die theoretische Kündigungsfrist beachtet werden, da sonst wirklich eine Sperre droht.
- Begründung: Warum trennen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Hier den richtigen Grund/die Gründe zu nennen, ist auch wichtig für die Arbeitsagentur.
- Arbeitszeugnis: Welche Benotung erhält der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung und Verhalten? Bis wann wird ein Zwischenzeugnis ausgestellt und was genau sollte im Endzeugnis stehen?
- Freistellung: Muss der Arbeitnehmer bis zum letzten Arbeitstag anwesend sein oder wird er für die restliche Zeit freigestellt?
- Vergütung: Hat der Arbeitnehmer trotz seines Ausscheidens Anspruch auf Sonderzahlungen wie Prämien oder Weihnachtsgeld?
- Urlaub: Wie werden bestehende Urlaubsansprüche abgegolten beziehungsweise durch eine Freistellung erfüllt?
- Abfindung: Ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält, ist oft die wichtigste Frage bei den Verhandlungen um einen Aufhebungsvertrag.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend; es gibt noch eine Reihe weiterer möglicher Vereinbarungen und Gestaltungsvarianten (wie zum Beispiel eine Outplacement-Vereinbarung); diese Möglichkeiten sollten jedoch in einem Beratungsgespräch individuell beleuchtet werden.
Abfindung
Entgegen anderslautender Darstellungen haben Arbeitnehmer bei einem vorzeitigen Ausscheiden keinen generellen Anspruch auf eine Abfindung. Auch diese muss im Rahmen des Aufhebungsvertrages verhandelt werden.
Die Höhe der Abfindung kann dabei sehr unterschiedlich sein. Als grobe Faustformel zur Berechnung der Abfindung legt man zunächst ein halbes durchschnittliches Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zugrunde. Diese Formel verschiebt sich zu Gunsten des Arbeitnehmers, je besser seine Chancen sind, den Arbeitsplatz zu behalten.
Wer zehn Jahre in einem Betrieb gearbeitet hat, würde damit fünf Monatsgehälter Abfindung erhalten. Allerdings gibt es je nach Branche große Abweichungen. In der Chemieindustrie oder der Finanzbranche werden in der Regel deutlich höhere Abfindungen gezahlt als in anderen Branchen.
Neben der Höhe des Einkommens und der Dauer der Betriebszugehörigkeit spielt auch das Alter des Arbeitnehmers noch ein bedeutsame Rolle - und ob ein Arbeitnehmer einen Sonderkündigungsschutz (zum Beispiel wegen Schwerbehinderung) hat.
Die Höhe der Abfindung ist somit immer auch eine Frage des persönlichen/ des anwaltlichen Verhandlungsgeschicks und der Erfahrung!
Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei den Verhandlungen deutlich zu machen, dass man den Arbeitsplatz (eigentlich) behalten will, auch wenn man vielleicht bereits einen neuen Job in Aussicht hat.
Abwicklungsvertrag
Vom Aufhebungsvertrag zu unterscheiden ist übrigens der Abwicklungsvertrag. Dieser kann aufgesetzt werden, wenn eine Kündigung bereits ausgesprochen und vom Arbeitnehmer akzeptiert wurde, und regelt die genaueren Umstände der Trennung, wobei auch hier eine Abfindung vereinbart werden kann.
Nicht nur die Abfindungshöhe zählt
Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Aufhebungsvertrag, wenn er fair und gut verhandelt wurde, oft eine gute Alternative zu einer Kündigung ist.
Bei einem Aufhebungsvertrag sollte aber nicht nur auf die Höhe der Abfindung „geschielt“ werden, sondern sind meines Erachtens die „Nebenabsprachen“ (oft) genauso wichtig.
In der derzeitigen „Corona“- Situation rate ich Arbeitnehmern zudem sehr oft dazu, bei der Höhe der Abfindung lieber „Zugeständnisse“ zu machen und dafür eine sofortige Freistellung zu vereinbaren und das Ende des Arbeitsverhältnisses um einige Monate nach hinten zu verschieben.
Es ist strategisch sicher besser, wenn man sich bei einem neuen Arbeitgeber nicht aus der Arbeitslosigkeit, sondern aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bewerben kann; es besteht dann zudem auch die Möglichkeit, eine sogenannte Turbo- oder Sprinterklausel zu vereinbaren.
Letzter Rat: Bitte lassen Sie sich wegen den arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen, insbesondere aber sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages unbedingt vor Unterschriftsleistung anwaltlich umfassend beraten. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist dabei die erste Adresse. Wegen den steuerlichen Fragen ist es manchmal ratsam, zusätzlich einen Steuerberater zu konsultieren.
Dies ist sicher gut investiertes Geld. Rechtsschutzversicherungen übernehmen oft sogar die Kosten des Anwaltes (oder zumindest einen Teil). Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben ist es ratsam, wenn der Rechtsanwalt die Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung übernimmt; er weiß den Sachverhalt darzustellen und es geht dann meistens schneller.
Dieser Artikel soll eine Orientierung geben und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung; eine Haftung wird deshalb ausgeschlossen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Patrick P. de Backer, Frankfurt am Main