Zähne zeigen – auch gegen rechts: Zum Neujahrsempfang der standespolitischen Zahnärzteschaft luden in diesem Jahr BZÄK und KZBV ins Berliner Naturkundemuseum ein. Und die Gäste kamen, auch die gesundheitspolitischen Bundestagsabgeordneten und Landesfürstinnen durften sich klare Worte anhören.
Neujahrsempfang: Deutliche politische Signale
Beim diesjährigen Neujahrsempfang war nur die Kulisse prähistorisch. Die viel diskutierten Themen und Probleme waren ganz im Hier und Heute. Und ihrer gibt es reichlich. Die Rednerinnenliste war kurz: BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, die amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, und der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Martin Hendges.
Die Reden knackig. Der politische Tenor: „Gemeinsam für Demokratie einstehen. Den Mund aufmachen – hier sei man bei der Profession Zahnmedizin“, so Kappert-Gonther. Unter großem Applaus waren sich hierin alle einig – fast schon historisch der Moment. Es gelte, für Demokratie, Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Toleranz gemeinsam einzutreten, so Hendges. Und Benz setzte ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung vieler Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund, die die Qualität und den Erfolg der Praxen sicherten: „Schön, dass Ihr da seid.“
Zähne zeigen
Das Zusammenstehen für die Demokratie war der starke Appel des Abends. Und in guter demokratischer Kultur wurden dann auch die kontroversen Themen angesprochen.
Benz war kaum zu bremsen. Und schon gar nicht von seinem Redemanuskript. Der „Patient Zahnmedizin“ sei „außerordentlich gesund“, attestierte er, und setze Prävention auch in der Pflege und bei Menschen mit Beeinträchtigungen erfolgreich um.
Dass nun im ländlichen Raum viele Praxen keine oder nur schwer eine Nachfolge fänden, läge auch an eigenen Fehlern, gestand Benz ein. Zu lange habe man der Spezialisierung das Wort geredet.
Der Annahme der Politik, die Jungen seien niederlassungsmüde und nun bräuchte es Investoren und wie immer geartete öffentliche Gesundheitseinrichtungen im ambulanten Bereich, erteilte er aber eine klare Absage. Die Lösung seien Hauszahnärztinnen und Hauszahnärzte mit kleineren Praxiseinheiten – gerade auch für den ländlichen Raum. Die Politik rief er dazu auf, endlich Bürokratie abzubauen und nicht weitere Hygieneauflagen ohne Praxisbezug einzuführen.
Auch Hendges nahm bei seiner Kritik an der derzeitigen Gesundheitspolitik das große Besteck heraus. Die derzeitige Politik konterkariere das Bemühen der Zahnärzteschaft, die Prävention zum Wohle der Patienten ausgestalten und weiterentwickeln zu können. Im fehle jegliches Verständnis für die Kürzung bei der präventionsorientierten Parodontitistherapie. Die damit verbundenen Folgekosten würden „scheinbar billigend in Kauf“ genommen. Die Politik schaffe, so Hendges, durch Sanktionen, Bürokratielasten und Budgetierung Rahmenbedingungen, die die Niederlassung unattraktiver machten und damit die flächendeckende, wohnortnahe ambulante zahnärztliche Versorgung gefährde.
Die aktuelle Gesundheitspolitik führe zur Schwächung der Selbstverwaltung hin zu einem staatlich gelenktem Gesundheitssystem. Sein Fazit: Von Seiten der Zahnärzteschaft sei die von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach eingeforderte Dialogbereitschaft vorhanden. „Allerdings ist ein Dialog, der nicht zur Lösung der Probleme führt, sondern nur aus Versprechungen besteht, nicht zielführend“, mahnte Hendges.
Kraftvoll zubeißen
Das standespolitische Auftakt-Event des Jahres war in jeder Beziehung außergewöhnlich. Wo sonst brave Grußadressen von Seiten der Politik auf bekannte Forderungen der Standespolitik treffen, stand in diesem Jahr das gemeinsame Eintreten für die Demokratie im Mittelpunkt.
Eigentlich ein erschreckendes Zeichen, dass man sich so eindeutig und geschlossen hinter den Grundwerten unserer Demokratie versammeln muss – sie also nicht mehr als unverbrüchlich voraussetzen kann. Umso wichtiger war es, dass das Zeichen auf einem Empfang der Zahnärzteschaft so einmütig gesetzt wurde. Schließlich war es der Zahnarzt Dr. Gernot Mörig, der zu dem Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern nach Potsdam geladen hatte, um Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu schmieden.
Da waren klare Worte von Seiten der Zahnärzteschaft gefragt. Und sie sind erfolgt. Sie sind die Basis, auf der dann auch die Themen besprochen werden konnten, die den Praxisalltag der Zahnärztinnen und Zahnärzte betreffen. Derer gibt es viele und sie alle fanden Raum und Gehör. Auch bei Kappert-Gonther, die als amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses politisches Gewicht hat. Sie öffnete zum Thema PAR-Budgetierung die politische Tür zumindest einen Spalt und versprach, eine „gemeinsame Lösung“ finden zu wollen.
Sie endete mit dem Bonmot: „Sich einzusetzen für unsere Demokratie, wählen zu gehen, ist wie Zähneputzen, wenn man es lässt, wird alles braun.“ Beides wichtig.
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