Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) – als buntes Gesetzessträußchen – geht in seine heiße Phase. Es soll mit Verspätung am 1. Mai 2019 in Kraft treten. Derzeit folgt Anhörung auf Anhörung mit ungezählten Gutachten. Beim Antichambrieren nimmt die Taktung zu. Das gilt natürlich auch für die Vertreter der Zahnärzteschaft. Sie wiederholen ihre Warnungen vor der Goldgräberstimmung der rein zahnärztlichen MVZ-Investoren (ZMVZ), die im deutschen Dentalmarkt ihr „Eldorado“ gefunden hätten. Die Standesvertreter sehen durch die „versorgungsfremden Investoren“ die flächendeckende Versorgung in Gefahr, so Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, bei der jüngsten Anhörung des Gesundheitsausschusses zum TSVG.
„Einen Bedarf für solche Investoren kann ich bei uns nicht erkennen. Die gewohnt gute zahnärztliche Versorgung ist in Deutschland auch ohne Fremdinvestoren gesichert ... Wir benötigen auch nicht das Geld der Investoren, denn die Finanzierung der Praxen ist durch Banken und Sparkassen gesichert. Offensichtlich werden die Investoren in einem schwierigen Kapitalumfeld gezielt von internationalen Beratungsfirmen mit dem Versprechen nach Deutschland gelockt, hier risikolos attraktive Renditen zu erzielen. Schnelle Gewinne und nachhaltige, am Bedarf der Menschen orientierte, gute Versorgung passen aber nicht zusammen“, so Eßer. Die gemeinsame Stellungnahme zum TSVG-Entwurf von KZBV, BZÄK und FVDZ widmet gut fünf Seiten dem Thema ZMVZ. Hier heißt es: „Ende März 2018 befanden sich rund 79 Prozent der MVZ in städtischen Gebieten und rund 21 Prozent der MVZ in ländlichen Gebieten. Zudem finden sich MVZ-Standorte überwiegend dort, wo das Medianeinkommen relativ hoch ist.“
Wohin zielt diese Kritik, mag man sich fragen. Gemeint ist wahrscheinlich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, die mutmaßlich jeder Unternehmer, also auch ein selbstständiger Zahnarzt, vornimmt, bevor er im Schnitt rund 400.000 Euro in die Hand nimmt, um seine Praxis zu gründen. Nicht alle Menschen verfolgen Gutes in dieser Welt. Keine Frage. Der Patientenschaden bei den Insolvenzen der Zahnarztketten in Spanien und Frankreich war immens und sollte beim bundesdeutschen Gesetzgeber Problembewusstsein schaffen. Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist aber ein weites Feld. Und schwarze Schafe gibt es wohl auf jedem Feld. Ein selbstständiger Arzt mit eigener Praxis oder ein Arzt in Anstellung wird auch auf ein profitables Einkommen achten – achten müssen. Schließlich will sie oder er davon leben. Da spielt natürlich auch der Standort eine Rolle sowie die Bevölkerungsstruktur und die vorhandene Zahnärztedichte. Ein freier Beruf wie der des Zahnarztes basiert auf seiner freien Behandlungsentscheidung, die er gemeinsam mit seinem Patienten trifft. Das trifft auf den selbstständigen Zahnarzt zu ebenso wie auf den angestellten. Auch ist eine Bank, die eine Gründung finanziert, durchaus ein Investor, der eine Rendite erzielen möchte. Bei den jüngsten Enthüllungen zu den Cum-ex-Geschäften ist dabei durchaus eine völlig moralfreie Energie erkennbar.
Seit dem Deutschen Zahnärztetag im November 2018 ist die Strategie der Standesvertretung zu ZMVZ deutlicher. Im Fokus der Ablehnung stehen primär ZMVZ, die von versorgungsfremden Investoren gegründet werden. Ihr Vorschlag für den Gesetzgeber lautet nun: „Krankenhäuser können ein medizinisches Versorgungszentrum, in welchem Zahnärzte tätig sind, nur gründen, wenn
1. in dem zahnärztlichen Planungsbereich, in dem das MVZ seinen Sitz haben soll, auch das Krankenhaus ansässig oder eine Unterversorgung festgestellt ist und
2. das Krankenhaus einen zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gemäß dem Krankenhausplan hat.“
Ob dieser Vorschlag den Bundesgesundheitsminister überzeugen wird? Vermutlich eher nicht. Jens Spahn ist einem Strukturwandel grundsätzlich zugeneigt, hat keine Berührungsängste mit der Wirtschaft und wird durchaus wissen, dass Investoren wie die Colosseum Dental Deutschland, die zur Jacobs Holding AG gehört, Planungshorizonte von 20 Jahren und mehr hat.
Nun hat sich in diesem TSVG-Showdown eine weitere prominente Stimme zu Wort gemeldet. Franz Knieps, ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und „Geburtshelfer“ der MVZ, heute Vorstand des BKK-Dachverbands, äußerte sich in einem ausführlichen Interview: „Auch die einzelne Arztpraxis – sei sie noch so klein – strebt natürlich nach Gewinn. Und manchmal ist dieses Gewinnstreben hemmungsloser als bei einer größeren Firma, die öffentlich Rechenschaft ablegt, eine Bilanz aufstellt und sich in die Karten schauen lässt.“ Ein weiterer Mythos sei, dass MVZ das Land nicht versorgten und dort nur zu 20 bis 30 Prozent entstünden. „Ja, klar! In dieser Republik leben ja auch nur 20 bis 30 Prozent der Menschen auf dem Land!“ Dann legt Knieps noch einen drauf: „Ohnehin würde ich Politikern raten, genau hinzuschauen und sich belegen zu lassen, dass es ernsthafte Probleme gibt. Und ich würde die Zahnärzte auch fragen, warum ihre eigenen Rechenschaftsberichte das Paradies aufzeigen und jetzt die Politik Maßnahmen ergreifen soll, um das Paradies zu schützen: Eva hat in den Apfel gebissen und das Paradies ist offen für alle!“ Da hat jemand kraftvoll zugebissen.