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Kann man Nichts abschlagen?

Für die einen ist es ein – wenn auch seltsamer – Rettungsschirm, für die anderen ist der als Schirm getarnte Kredit eine Zumutung.

Für die einen ist es ein – wenn auch seltsamer – Rettungsschirm, für die anderen ist der als Schirm getarnte Kredit eine Zumutung.

Bis zum 2. Juni mussten sich die KZVen entscheiden. Die Gretchenfrage lautete, wie halte ich es mit der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung? Wir erinnern uns an das Danaergeschenk aus den Häusern Spahn und Scholz. Die Schutzverordnung sieht eine Liquiditätshilfe von 90 Prozent der gezahlten Gesamtvergütung von 2019 als Abschlagszahlung vor. Das soll verhindern, dass es in den kommenden Quartalen aufgrund der COVID-19 bedingten Mindereinnahmen zu Liquiditätsengpässen in den Praxen kommt. Diese Finanzhilfe, so der Haken, soll bei Überzahlung nicht zu 50 Prozent, nicht zu 70 Prozent – NEIN – zu 100 Prozent in den Folgejahren zurück gezahlt werden. Da wurde so manche Zahnärztin und so mancher Zahnarzt ganz blass um die Nas‘ vor lauter Großmut.

dzw hat die KZVen kurzfristig gefragt, wie sie sich positioniert haben und aus welchem Grund. Die zahlreichen Antworten zeigen in einem Punkt ein homogenes Bild. Unisono sind sie geprägt von Enttäuschung und Frust, dass alle, alle, alle anderen Arztgruppen unter den sonnigen 100-prozentigen Schutzschirm des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz fallen – nur nicht die „Zahnärzteschaft“.

Ein völlig anderes, heterogenes Bild ergibt sich in den Entscheidungen der KZVen. Acht KZVen nutzten die Möglichkeit der Schutzverordnung die Liquiditätshilfe abzulehnen: die KZVen LB, HH, MV,N, RLP, LSA, SH und Th. Die übrigen KZVen nahmen widerwillig die Liquiditätshilfe an. „Unter Protest“, „trotz erheblicher Bedenken“, „unter Hintenanstellung von emotionalen Überlegungen“ heißt es in den Stellungnahmen. Berlin nimmt einen Sonderweg und hat „mit Ausnahme vom vdek allen Krankenkassenverbänden widersprochen.“

Diese föderale Entscheidungsfreiheit hatte die KZBV ausgehandelt. „Der Vorstand hatte sich von Anfang an vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Vertragssituation für eine Opt-out-Regelung eingesetzt“, betont die KZBV. Das zielt primär auf die „Übersteller-KZVen“. Diese „sichern zu, dass die bereits für das Jahr 2020 mit den Kassen vereinbarte Gesamtvergütung voll, also zu 100 Prozent, ausgezahlt wird“, begründet etwa die KZV RLP ihre Ablehnung. Mittelfristig könnte sich dies als Bumerang erweisen, wird doch das überstellte Jahresbudget üblicherweise an den erbrachten Leistungen des Vorjahres bemessen.

Für die Einzelleistungsvergütungs-KZVen war die Liquiditätshilfe vielfach „besser als nichts“, wie es die KZV BW beschreibt. Die KZV Bayern formuliert den Hauptgrund zur Annahme: „Ein Praxissterben wollen wir verhindern.“ Gerade jungen Zahnärzten fehlen Rücklagen für ihre laufenden Kredite. Jetzt kriegen sie neue dazu.

Die Zahnärzteschaft  allein zu Haus. Der Riss zur Politik ist tief.

Entscheidungen der KZVen zur COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung

Entscheidungen der KZVen zur COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung

Die Stellungnahmen im Wortlaut:

KZBV

Statement von Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV

„Nachdem die Vertragszahnärzte im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz nicht berücksichtigt worden waren und der vom BMG unterstützte Schutzschirm durch ein Veto des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums verhindert wurde, wurde den Zahnärzten mit der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung lediglich eine Liquiditätshilfe in Form eines voll zurückzahlbaren Kredites angeboten. Über die Annahme/Ablehnung dieser Liquiditätshilfe hatten die KZVen bis zum 2. Juni 2020 zu entscheiden. Im Vorfeld konnte die KZBV Klarheit darüber herstellen, dass Zahnärzte grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben und die Schutzverordnung, anders als von diversen Krankenkassen behauptet, eben nicht als Budgetobergrenze zu verstehen ist.

Die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Liquiditätshilfe wurde in mehreren KZVen im Rahmen von außerordentlichen Vertreterversammlungen getroffen. Grundlage war in allen KZVen die sorgfältige Prüfung der Wirkung dieser Liquiditätshilfe in Verbindung mit den in den KZVen individuell vereinbarten Vergütungsverträgen. Insbesondere ‚Überstellungsverträge‘ gewährleisten für das Jahr 2020 die Auszahlung der für 2020 verhandelten Gesamtvergütungen zu 100 Prozent, losgelöst von der tatsächlichen Leistungsmenge, während die Liquiditätshilfe lediglich 90 Prozent der im Jahr 2019 gezahlten Gesamtvergütung garantiert.

Im Unterschied zu den ‚Übersteller-KZVen‘ kann es in ‚Einzelleistungsvergütungs-KZVen‘ auf Basis der im BMV-Z vertraglich geregelten Modalitäten der Abschlagszahlungen von Krankenkassen an die jeweilige KZV möglicherweise zu Liquiditätsengpässen vor allem im 3. Quartal bei der Auszahlung der Abschläge seitens der KZV an die Zahnärzte kommen.

In einigen KZVen bestehen mit unterschiedlichen Krankenkassen sowohl Übersteller- wie auch Einzelleistungsverträge.

Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen in den 17 KZVen erwartungsgemäß unterschiedlich ausgefallen, weswegen sich der Vorstand auch von Anfang an vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Vertragssituation für eine Opt-out-Regelung eingesetzt hatte."

KZVWL

Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) hat in einer außerordentlichen Sitzung trotz erheblicher Bedenken mit großer Mehrheit der „Schutzschirmverordnung“ des Bundesgesundheitsministeriums zugestimmt. Anders als bei Krankenhäusern und Ärzten geregelt bekommen Zahnärzte keine Fördermittel, die sie behalten dürfen, sondern nur einen Überbrückungskredit – und dieser muss zu 100 Prozent zurück gezahlt werden.

Dr. Holger Seib, Vorstandsvorsitzender der KZVWL, prangert diese Ungleichbehandlung der Zahnärzte an: „Die Zahnärzteschaft musste schließlich trotz des sehr starken Patientenrückganges ihre Praxen bei hohen laufenden Kosten geöffnet lassen, um die zahnärztliche Versorgung sicherzustellen. Die Bundesregierung verkennt völlig die Bedeutung und Systemrelevanz der Zahnärzteschaft.“

Daher hat die Vertreterversammlung eine Resolution verabschiedet und fordert die Anerkennung der Systemrelevanz der Zahnärzte.

KZVB

Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) hat sich dafür ausgesprochen, bei nachgewiesener Covid-19-bedingter Notlage von einzelnen Praxen, diese mit Geldern der Krankenkassen als Kredite zu unterstützen.

„Wir haben in Bayern Praxen, die in den ersten beiden Quartalen bis zu 80 Prozent weniger Fälle abgerechnet haben – bei nahezu gleichbleibenden Kosten“, begründete Christian Berger, Vorsitzender des Vorstands der KZVB, den Entschluss der VV. Gerade junge Zahnärzte, die noch keine Rücklagen aufbauen konnten und Kredite zurückzahlen müssen, und Zahnärzte in strukturschwachen Regionen Bayerns treffe der Covid-19-bedingte Rückgang der Patientenzahlen hart. „Ein Praxissterben wollen wir verhindern“, so Berger.

„Die meisten Zahnärzte fühlen sich als Freiberufler, die sich auch in der Krise vor allem auf ihr Können und ihre Arbeitskraft verlassen“, so Berger. Diesen Geist der Freiberuflichkeit wolle man erhalten – „auch und gerade weil die Politik uns im Regen stehen lässt“.

KZV LSA

Am 5. Mai 2020 ist die SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung in Kraft getreten. Mit dieser Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit war die Hoffnung verbunden, dass es auch für die vertragszahnärztliche Versorgung eine Schutzschirmregelung geben wird, wie sie für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz beschlossen wurde.

Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Krankenkassen wurden gänzlich von Ihrer Mitverantwortung für die wirtschaftlichen Lasten der Krise entbunden, eine finanzielle Hilfe für zahnmedizinische Praxen ist nicht mehr vorgesehen. Die jetzige Regelung sieht lediglich eine Liquiditätshilfe vor. Durch ein aufwendiges Prozedere soll diese in kreditähnlicher Form umgesetzt werden, welche in den nachfolgenden Jahren zu 100 Prozent an die Krankenkassen zurückgezahlt werden muss. Aufgrund der Ausgestaltung der landesspezifischen Vergütungsvereinbarungen in Sachsen-Anhalt sind die Zahlungen, die die Krankenkassen in diesem Jahr an die KZV Sachsen-Anhalt leisten müssen trotz des rückläufigen Arbeitsaufkommens in vielen Praxen gesichert. Eine gesonderte Liquiditätsabsicherung, wie sie die SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung für den vertragszahnärztlichen Bereich vorsieht, entfaltet daher keine zusätzliche Schutzwirkung.

Im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung am 27. Mai 2020 stimmten die 29 Mitglieder der Vertreterversammlung der KZV Sachsen-Anhalt daher einstimmig dafür, dass die KZV Sachsen-Anhalt der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen widersprechen soll.

KZV Berlin

Mit Ausnahme vom vdek hat die KZV Berlin allen Krankenkassenverbänden widersprochen.

KZV Bremen

„Die KZV im Lande Bremen wird die COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung annehmen, da die KZV Bremen im Lande Bremen mit den Krankenkassen Einzelleistungsgesamtvergütungen mit Obergrenzen vereinbart hat. Die Ablehnung der COVID-19 Verordnung hätte zur Folge, dass Überzahlungen für das II/20 Quartal von der KZV Bremen an die Krankenkassen zurückgezahlt werden müssten und damit auch von den Praxen zurückgefordert werden müssten,“, so Martin Sztraka, Vorstand Kassenzahnärztliche Vereinigung im Lande Bremen.

KZV BW

Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW: „Dass wir statt eines echten Schutzschirms nur zeitlich befristet Kredite beantragen können, war ein schwerer Schlag. Es ist sachlich völlig unbegründet, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte im Gegensatz zu Ärzten und Krankenhäusern keinerlei Fördermittel bekommen. In dieser Zeit gilt es aber, um jeden Preis zu verhindern, dass Kolleginnen und Kollegen aus wirtschaftlichen Gründen ihre Praxis schließen müssen. Daher sind auch Liquiditätshilfen in Form von Krediten zur kurzfristigen Stabilisierung besser als nichts, wenngleich wir uns weitergehende Unterstützung von der Politik erhofft hätten. Dies hat auch unsere Vertreterversammlung so gesehen und dem Schutzschirm unter Hintenanstellung von emotionalen Überlegungen oder persönlichen Bedenken mit deutlicher Mehrheit zugestimmt.“

KZV Sachsen

Dr. Holger Weißig, Vorstandsvorsitzender der KZV Sachsen: „Aus politischer Sicht lehnt die KZV Sachsen die in der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung beschlossene Liquiditätshilfe ab. Eine solche Ungleichbehandlung der Zahnärzteschaft gegenüber anderen Berufsgruppen des Gesundheitsbereiches gefährdet die künftige Aufrechterhaltung der flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung.

Gleichwohl haben sich Vorstand und Vertreterversammlung der KZV Sachsen nach eingehender Analyse, langer Diskussion und Abwägung der Argumente sowie einer juristischen Bewertung entschieden, die Liquiditätshilfe nicht auszuschlagen. Sie ermöglicht die Krediteinräumung für Zahnärztinnen und Zahnärzte, die aufgrund der COVID-19-Pandemie von finanziellen Engpässen betroffen sind.“

KZV Hamburg

Dr./RO Eric Banthien, Vorstandsvorsitzender der KZV Hamburg: „Die Schutzverordnung hat explizit eine Opt-Out-Klausel vorgesehen. Hamburg hat sich für den Opt-Out entschieden. Die in Hamburg bereits zum Jahresbeginn 2020 im Zuge der regulären Vergütungsverhandlungen mit den Kassen einvernehmlich für das Jahr 2020 getroffenen Vergütungsvereinbarungen, waren deutlich besser geeignet, die Versorgungsstrukturen in Hamburg aufrecht zu erhalten und die Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber der Hamburger Bevölkerung auch langfristig zu sichern, als es die Schutzverordnung in der ursprünglich skizzierten oder der letztendlich verabschiedeten Form gewährleisten konnte.“

KZV RLP

Nach eingehender Prüfung der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung hat die KZV Rheinland-Pfalz entschieden, das darin vorgesehene Darlehen der gesetzlichen Krankenkassen an die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nicht anzunehmen.

Grund hierfür ist die spezielle Vertragsstruktur, die die KZV Rheinland-Pfalz mit den gesetzlichen Krankenkassen im Land verhandelt hat.

Die sogenannten Überstellungsverträge sichern zu, dass die bereits für das Jahr 2020 mit den Kassen vereinbarte Gesamtvergütung voll, also zu 100 Prozent, ausgezahlt wird. Die „Liquiditätshilfe“ sieht lediglich 90 Prozent der im Jahr 2019 ausgezahlten Gesamtvergütung vor.

Eine Aufstockung der „Liquiditätshilfe“ auf die bereits vereinbarte Gesamtvergütung 2020 schließt die COVID-19-Schutzverordnung aus.

KZVN

Schriftliche Beschlussfassung der Mitglieder der Vertreterversammlung der KZV Niedersachsen über den folgenden Antrag des Vorstandes der KZV Niedersachsen:

Beschluss:

Die Vertreterversammlung möge beschließen, dass die KZVN der gesetzlich geregelten Liquiditätshilfe zur Überbrückung der finanziellen Auswirkungen der infolge der Corona-Epidemie verminderten Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bis zum 2. Juni 2020 schriftlich widerspricht.

Begründung:
Die vom Bundesministerium für Gesundheit angebotene Liquiditätshilfe stellt ein bloßes Darlehen dar, das in den beiden Folgejahren komplett zurückgezahlt werden muss. Die Annahme dieser Liquiditätshilfe für 2020 hat als Preis zusätzliche finanzielle Einbußen in den Jahren 2021 und 2022, in denen die Inanspruchnahme vertragszahnärztlicher Leistungen höchstwahrscheinlich wieder normal oder aufgrund eines Nachholbedarfs sogar eher noch höher sein wird. Bei Bedarf haben vertragszahnärztliche Praxen schon jetzt die Möglichkeit, die aktuell aufgrund der verminderten Leistungsinanspruchnahme entstehenden finanziellen Engpässe durch die Beantragung von Kurzarbeitergeld oder Kredite zu überbrücken. Zudem erhalten die vertragszahnärztlichen Praxen in Niedersachsen zur Vermeidung von finanziellen Schwierigkeiten die monatlichen Abschlagszahlungen für April und Mai 2020, die im Mai und Juni gezahlt werden, trotz der Corona-bedingten Leistungseinbußen grundsätzlich in der gewohnten Höhe. Und schließlich beschränken sich die finanziellen Verluste, die aus der durch die Corona-Epidemie verminderten Leistungsinanspruchnahme resultieren, in Niedersachsen aufgrund der von den Primärkassen leistungsmengenunabhängig zu zahlenden Festbeträge auf den Bereich der Ersatzkassen.

KZV S-H

KZV Schleswig-Holstein : „Auf Empfehlung des Hauptausschusses hat der Vorstand der KZV S-H sich für die Ablehnung der Liquiditätshilfe und damit gegen die Inanspruchnahme des in Paragraf 1 Absatz 1 und 2 der COVID-19-VSt-SchutzV geregelten Sicherungs-/Ausgleichsmechanismus entschieden. Der Wahl des Opt-out liegt zugrunde, dass das Vertragsmodell in Schleswig-Holstein die Vereinbarung einer Budgetüberstellung vorsieht. Damit verfügt die KZV S-H für 2020 bereits über hinreichend abgesicherte Vergütungsstrukturen."

KZV Nordrhein

„Der Vorstand der KZV Nordrhein war sich einig, die Schutzverordnung zu akzeptieren und die Opt-Out–Möglichkeit nicht zu nutzen. Die Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungen der 17 KZVen sind dem Statement von Dr. Wolfgang Eßer vom 4. Juni 2020 zu entnehmen. Hintergründe und Einzelheiten können wir selbstverständlich noch nicht mitteilen, ohne der bevorstehenden Vertreterversammlung vorzugreifen.“